Eine Frau im Schlaf
Schlaf, Schlafstörung

Was ist Schlaf? (Textupdate auf Wissensstand 2018)

Das ist die spannende Frage. Schlaf ist mehr als nur Regeneration. Im Schlaf löst unser Unterbewußtsein Probleme des Tages, „räumt“ unser Gehirn aktuelle Erfahrungen auf, transportiert diese ins Langzeitgedächtnis und reinigt sich selbst. Wir träumen im Schlaf, fliegen durch Phantasiewelten oder fahren alle Systeme wie ein Stein runter. Zusätzlich kann Schlaf auch als kultureller Ausdruck genutzt werden.

Warum Schlafen wir?

Diese Frage ist nicht einfach zu klären, da beispielsweise eine rein physiologische Erklärung möglicherweise wichtige Teilantworten übersieht.

Schlaf als eine evolutionäre Antwort auf Krisenzeiten

Wir Menschen leben auf der Erde. Hier gibt es einen Rhythmus von Tag und Nacht, der sich ungefähr alle 24 Stunden wiederholt. Das menschliche Auge kann im Dunkeln nicht gut sehen, was ein Leben bei Nacht deutlich erschwert. Es ergibt somit einen überlebenswichtigen Sinn sich an den Rhythmus von Tag und Nacht anzupassen.

Es stimmt – man hätte sich auch anders anpassen können, indem man nachts einfach in Sicherheit geht und dann im Dunkeln gut Munkeln mit den Kollegen hat, aber das würde nicht zum Effizienzgedanken der Natur passen. Ich unterstelle diesen an dieser Stelle. Ineffiziente Organismen lesen sich über die Generationen hinweg in Krisenzeiten selbst natürlich aus, da sie entweder mehr Nahrung oder mehr Energie verbrauchen als sie für Herausforderungen des Lebens in Krisenzeiten zur Verfügung haben.

Schlaf könnte somit eine Antwort der Evolution auf Ressourcen- oder Nahrungsknappheit sein. Interessant ist dabei, dass Schlafstörungen unter anderem als Folge das vermehrte Verlangen nach kohlehydratreicher Nahrung (viel gespeicherte Energie) haben können. ( Näheres dazu im Artikel über die Folgen von Schlafstörungen ) Dies unterstützt diese Evolutionsantwortthese.

Schlaf in der Tierwelt

Die Tierwelt passt sich unterschiedlich an. Besonders interessant ist die unterschiedliche Schlafdauer. Giraffen sollen täglich mit 60 Minuten Schlaf auskommen, Pferde mit 3 Stunden, Elefanten mit 4 Stunden, Koalas mit 14 Stunden, Katzen nehmen sich 16 Stunden dafür Zeit und diverse Fledermaus- und Faultierarten gönnen sich sogar 20 Stunden am Tag.

Diese Zeiten lassen sich nur bedingt in ein Muster packen, das beispielsweise nach Raubtier und Pflanzenfresser trennt. Auch das Muster „Zeit für Essensaufnahme“ wird beispielsweise durch die Wespe, welche nur 2-3 Stunden schläft durchbrochen. Eine Erklärung für Schlaf zu finden ist demnach nicht so einfach.

Was passiert im Schlaf?

Die Frage nach dem Warum kann auch alternativ rückwirkend über das erforschte nächtliche Verhalten des Körpers beantwortet werden, also über den Sinn des Schlafes.

Neurologische Beobachtungen zum Schlaf

Neurologen sehen Schlaf häufig als eine Funktion für das Gehirn. Es findet der Gedächtnistransfer ins Langzeitgedächtnis statt, man träumt als Verarbeitungsprozess und das Gehirn reinigt und repariert sich.

Der Schlafende durchlebt mehrere Schlafphasen, die sich durch ihre Schlaftiefe unterscheiden. Direkt nach dem Schließen der Augen entspannt sich der Körper und geht in die Phase des leichten Schlafes über. Es folgt der Übergang zum Tiefschlaf, in dem die Regeneration stattfindet. Im Lauf der Nacht werden alle Schlafstadien abwechselnd durchlaufen, d.h. vom Tiefschlaf kann es auch wieder in den leichten Schlaf oder die REM-Phase gehen. REM steht hierbei für Rapid Eye Movement, also „schnelle Augenbewegungen“, diese werden mit Träumen, also der Verarbeitung des Erlebten oder anderen Gehirnaktivitäten, verbunden.

Neben diesen Gehirnaktivitäten reguliert der Körper Flüssigkeitsstände – bspw. im Gallertkern der Wirbelsäule – oder repariert, entgiftet und baut auf. Man kann sagen, dass nach der täglichen Arbeit das Hobby „Hausputz und Handwerk“ in unserem Körper erledigt wird und beim Feierabendtee wird der Traum angeschaut.

Die Funktion von Träumen

Ob die Aussage stimmt, dass Träume der Verarbeitung dienen oder was die Funktion von Träumen ist, darüber diskutieren Schlafforscher. Für die Forschung wird gerne die Beobachtung des Negativzustands herangezogen. Was passiert wenn der Schlaf entzogen wird oder Träume zu Horrorszenarien werden. Darüber habe ich in der Artikelserie über Albträume berichtet. An dieser Stelle geht es um die Frage „Was ist Schlaf?“, darum ist hier nur wichtig, dass im Schlaf geträumt wird.

Die physiologische Schlafbereitschaft

Im Artikel „Gibt es die optimale Schlafzimmertemperatur?“ stelle ich die physiologischen Grundlagen des Schlafes aus dem „Kompendium Schlafmedizin“(2016) vor. Hierbei zeigt sich die evolutionäre Effizienz darin, dass der Körper seine eigene Temperatur für den Schlaf an eine Thermoneutralzone anpasst. Dabei handelt es sich um den Temperaturbereich, in dem der Körper seine aktuelle Temperatur über minimalen Aufwand konstant halten kann. Den optimalen Schlaf findet man dadurch, dass der Körper sich innerhalb der Thermoneutralzone maximal auf Reinigung, Reparatur, Regeneration und Energiesparen konzentrieren kann.

(R)evolutionäre Erkenntnisse über Schlaf

Die drei Doktoranden Ravi Nath, Michael Abrams und Claire Bedbrock stellen im Oktober 2017 die bisherige Sichtweise auf die Probe. Ihre Jelly-Fish-Studie zeigt, dass Schlaf älter ist als das Gehirn! Folglich müssen Quallen nachts nichts in ihr Langzeitgedächtnis übertragen, da sie keines besitzen. Somit scheint es naheliegend, dass das Gedächtnis zwar im Schlaf Daten sichert und verarbeitet, aber dies weil sich der Schlaf passend dazu anbietet und nicht weil der Schlaf dafür entwickelt wurde.

Wir räumen unsere Wohnung auch erst nach Feierabend auf und machen nicht Feierabend um unsere Wohnung zu putzen.

Untersuchungen von A. Rechtschaffen und B. M. Bergman

Die Wissenschaftler Allan Rechtschaffen und Bernard M. Bergman würden die Frage nach dem Warum sicher mit „Um nicht zu sterben!“ beantworten. 2002 veröffentlichten beide im Magazin SLEEP einen Artikel über ihre Schlafentzugversuche an Laborratten, der besagt dass alle Ratten nach zwei bis sechs Wochen Schlafentzug gestorben sind.

Schlafentzug führt zum Tod!

Rechtschaffen und Bergman konnten die Ursache nicht genau bestimmen, aber sie waren sich sicher, dass der Verlust der Wärmeregulationsfähigkeit ein wichtiger Aspekt ist. Ein geschwächtes Immunsystem oder das physiologische „Aufräumen“ des Gehirns schlossen beide aus und gaben aber zu dass sie Kerntodesursache nicht entschlüsseln konnten.

Die drei Gewinner des Nobelpreises für Medizin 2017 wurden unter anderem dafür geehrt, dass sie den Zusammenhang zwischen dem System des Tag-Nacht-Rhythmuses (zirkadianer Rhythmus) und dem System der Thermoregulation herausfanden; was die These bezüglich des Verlustes der Wärmeregulationsfähigkeit als Todessursache stützt. Stört man das eine System, dann wird auch das andere in Mitleidenschaft gezogen.

Was können wir daraus schließen?

An dieser Stelle kann man die Frage stellen, ob Ergebnisse von Labortieren auf den Menschen übertragbar sind oder nicht. Alleine die Tatsache, dass Schlafentzug zum Tode führt ist eine drastische Erkenntnis, die eine Übertragbarkeit auf Lebewesen im Allgemeinen überprüfenswert macht. Menschen werden durch Schlafentzug von Halluzinationen heimgesucht und das Gedächtnis funktioniert nicht mehr optimal, daher hört sich die These, dass Schlaf als „Aufräumzeit“ des Gehirns benötigt wird plausibel an.

Kennen Sie das Wort Scheinkorrelation?

Seit meinem Studium liebe ich das Wort Scheinkorrelation. Es bedeutet, dass man aus Untersuchungsergebnissen heraus Thesen annimmt, die aber falsch sind. Es hatte also in diesem Fall den Anschein, dass mehrere Dinge miteinander korrelieren, also miteinander verbunden sind. So könnte man sicher statistisch nachweisen, dass BMW-Fahrer die schlimmeren Raser sind als Trabantfahrer. Das Ergebnis wäre aber durch die unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Pferdestärken als systematische Verzerrung leicht erklärbar. Es ist aber nicht immer so eindeutig, wie in diesem Beispiel, daher lohnt es sich meiner Meinung nach sich auch Fragen entgegen der allgemeinen Thesen zu stellen.

So wäre es beim Thema Schlaf interessant zu wissen, ob man sagen könnte, dass die Nacht zur Regeneration in das genetische Wissen/Programm eingeflossen ist, weil künstliches Licht vor langer Zeit nicht verfügbar war und der Körper diese von außen gegebene Ruhezeit freiwillig angenommen hat? Im Gegensatz dazu steht die aktuelle Basis, dass der Körper Schlaf von sich aus braucht, weil Säfte im Ungleichgewicht sind oder die Neuronenverbände im Wachzustand nichts abspeichern können.

„Nachts ist Kehrwoche“ weil: eine regelmäßige Zwangswartung sein muss versus vererbte Gewohnheit.

Nach meinem aktuellen Kenntnisstand kann die Wissenschaft diese und andere offenen Fragen noch immer nicht beantworten. Daher lautet die Antwort auf die Frage warum wir schlafen aktuell ernüchternd einfach: Weil wir irgendwann müde werden und unser Körper sich selbst in den Schlafmodus versetzt.

Der Körper sagt wann er müde ist und drängt auf den Schlafmodus.

Schlafkultur

Schlafen ist aber auch mehr als nur physiologische Funktionen, Säfte und Regeneration. Schlaf ist auch ein Kulturgut. Wie jedes Kulturgut unterliegt auch der Schlaf einem Wandel. Aus heutiger Sicht erscheint es undenkbar, dass im 17. und 18. Jahrhundert das Bett als „Prunkbett“ in einem Galaraum stand und als Audienzstätte für Fürsten diente. König Ludwig XIV. trieb sein Aufwachritual auf die Spitze und inszenierte u.a. das Grand Levée bei dem der Hofstaat, bis zu 200 Personen, ihm beim Aufstehen huldigten – sogar wenn er nicht im Schloss war!

Auch auf weniger adliger Ebene wandelte sich der Umgang mit Schlaf. Können Sie sich vorstellen mit zwanzig anderen in einem Schlafsaal zu liegen? Oder die Kinder im schon sogenannten Elternschlafzimmer zur Ruhe zu betten?

Schlaf ist inzwischen eher eine Privatsache. Und auch im Privaten wandelt sich der Umgang mit Schlaf. Meiner These nach dürfte er sich wie Mode in Zyklen verändern. Schlaf als Gesundheits- und Wellnessfaktor, als Störung der eigenen Produktivität, als Gammlertätigkeit, als zu zelebrierendes Luxusgut, als notwendiges Übel … Wie sehen Sie Schlaf? Wie Ihre Eltern, Großeltern oder Kinder?

Fazit

Nach aktuellem Kenntnisstand benötigt der Körper regelmäßig Schlaf. Warum das so ist, kann bisher noch niemand eindeutig beantworten. Der Vergleich mit dem Tierreich zeigt, dass es kein klares Muster gibt, wer aus welchem Grund wie viel schläft. Schlaf ist auch nicht erst für das Gehirn von der Evolution entwickelt worden, er ist älter als das Gehirn. Was die Beantwortung der Frage noch erschweren könnte: Stellen Sie sich vor, was es bedeuten würden, wenn der Schlaf mehrere Gründe hätte!

Egal aus welchem Blickwinkel man Schlaf betrachtet er bietet genügend Gesprächsstoff und bleibt trotzdem ein angenehmes Mysterium. Wie sehen Sie Schlaf?

Ich wünsche erholsamen Schlaf und bin gespannt auf Ihre Sichtweisen!

Thorsten von Bettdecke.de

 

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