Albtraumszenario Ertrinkende Frau
Schlafstörung, Träume

Eine kinderleichte Antialbtraumtechnik

„Unwissenheit ist ein Segen.“ sagt Cypher in dem 1999 erschienen Film Matrix. Und genau darin besteht der große Vorteil, den Kinder Erwachsenen gegenüber haben, wenn es um Albträume geht – sie haben noch die Deutungshoheit über die Bewertung der (Alb-)Trauminhalte. Damit man diese These leichter verstehen kann fange ich bei der Erklärung etwas früher an, nämlich mit dem Gehirn.

Gehirn – Sinn in Unsinn bringen

Das Gehirn ist eine Ansammlung von über 86 Milliarden Nervenzellen. Diese geben – vereinfacht gesagt – ihre Signale weiter, wenn sie hinreichend von Reizen mit „Strom aufgeladen“ wurden, damit sie „feuern“ können. Somit breiten sich elektrische Impulse entlang von langen Nervenzellenketten aus.

Welche Reize können das sein? Beispielsweise eine Strahlung mit der Wellenlänge 680 Nanometer, die das Auge trifft. Im Auge setzt die Energie dieser Strahlung einen chemischen Prozess in Gange, der den roten Sehfarbstoff zersetzt und darüber die Information „Strahlen der Wellenlänge 680 Nanometer treffen das Auge“ ans Gehirn über viele Nervenzellen hinweg (=hier Nervenzellenkette genannt) sendet. Parallel senden etliche andere Sinneskanäle. Zum Beispiel könnten das die Informationen „rund“, „reflektiert Licht“, „roter Bereich im Sichtfeld wird schnell größer“, „Schmerzrezeptoren der Nase aktiviert“, „Kreislauf absenken, da Blut die Nase verlässt“, „roter Bereich im Sichtfeld wird schnell wieder kleiner“, „Ohren melden Kinderlachen“,„Gleichgewichtssinn meldet Ungleichgewicht des Kopfes nach hinten und Fall des Körpers in die selbe Richtung“.

Schlafblog BettdeckeDE - Signalkettenbeispiel Reize von Sinnesorganen zum Gehirn

So wie Sie sich gerade diese Szene zusammenreimen, so muss auch das Gehirn sich auf seine äußeren Informationsgeber verlassen, um aus einer Reizflut die Realität außerhalb des Schädels zu „konstruieren“. Realität entsteht somit immer indirekt über das Zusammensetzen eines Musters, das dem Gehirn sinnhaft erscheint.

Setzen Sie sich in ein dunkles schallgedämpftes Zimmer mit einem Monitor, der Ihnen lediglich ja oder nein anzeigt und das ausschließlich für Zustände. Hell – ja/nein. Schmerz – ja/nein. Schwacher Druck Fußsohle vorne links – ja/nein. Starker Druck Fußsohle vorne links – ja/nein. Und das für alle Ihre Sinnesorgane. Really Big Data sozusagen. Ihre Aufgabe ist es aus diesem Datenwust Ihre Umgebung zu erraten. Schon toll was unser Gehirn kann, oder?

Wenn man der obigen Argumentationskette folgt, dann liegt es nahe anzunehmen, dass das Gehirn sehr gut darin ist Muster zu erkennen, weil es diese permanent erkennen muss, da es ansonsten blind und verloren ist. Somit versucht es logischerweise auch immer Sinn in Unsinn hineinzuinterpretieren, solange es nicht genau weiß, dass es sich um eine sinnfreie chaotische Sache handelt.

Beim Rorschach-Test nimmt man an, dass man aus den Ergebnissen zu denen das Gehirn der Testperson kommt, wenn man diese mit sinnfreien Tintenkleksen konfrontiert, Rückschlüsse auf deren Persönlichkeit oder deren psychischen Störungen ziehen könne.

Wer will kann sich informieren, was passiert, wenn die Testperson weiß, dass die Klekse sinnfrei sind? Ich nehme an, dass es dann an der Testperson liegt willkürlich Begriffe zum Besten zu geben, die mehr oder minder jugendfrei sind, was wohl auch der indirekten Beobachtung der Persönlichkeit entspräche.

Folgen der Sinnkonstruktion

Sobald man nun die Situation seines eigenen Gehirns verstanden hat, sollte folgende weiterführende Schlussfolgerung leichter akzeptierbar sein. Warum „akzeptierbar“? Wenn neue Informationen den eigenen Einstellungen widersprechen, dann neigen Menschen dazu „dicht zu machen“ und sich diesen neuen Informationen zu verweigern. Ich schreibe die obigen Absätze deswegen so ausführlich und in dieser Reihenfolge, damit Sie mir Schritt für Schritt an einen Ort folgen, den – meiner persönlichen Erfahrung nach – viele Menschen nicht erreichen können bzw. nicht erreichen wollen.

Ich erwähne das, weil jetzt kommt die wichtige logische Schlussfolgerung, dass das Gehirn neben den eigenen Sinneswahrnehmungen auch fremde Sinneswahrnehmung über Dialoge mit Menschen oder Gelesenem aufnimmt und in die eigene konstruierte Realität (!) aufnimmt. Das bedeutet kommen von außen fehlerhafte Informationen, dann gehen diese fehlerhaften Informationen in die eigene Realität über.

Einfaches Beispiel „Spinnen“. Ich meine damit harmlose Spinnen aus Deutschland, also keine riesigen Giftspinnen. Es ergibt keinen Sinn Angst vor Spinnen zu haben, die man in seinem Haus antrifft. Sie beißen nicht, fallen keinen an, verletzen niemanden, sondern keinen giftigen Schleim ab oder machen auch nur irgendetwas anderes Bedrohliches oder Ekliges. Daher erscheint es am Wahrscheinlichsten, dass diese Angst von außen an das Gehirn oft genug herangetragen wurde, dass es diese Fehleinschätzung zu seiner Realität hinzukonstruiert hat. Es ist sozial erwünscht Angst davor zu haben, ergo wird es übernommen.

Diese Realitätsübernahme geht sogar so weit, dass objektiv falsche Aussagen übernommen werden, damit man in der Gruppe nicht aneckt. Ein gruselig wahres Experiment dazu ist das Konformitätsexperiment von Asch aus dem Jahr 1951. Hierbei wurden Versuchpersonen mit verdeckten Komplizen des Versuchsleiters zusammen in eine Testgruppe gesetzt, die bewerten sollten welche der dargebotenen Linien dieselbe Länge wie eine Vergleichslinie haben. Dabei geben die Komplizen bewusst falsche Antworten, um die Versuchsperson mit einer bewusst verfälschten Realität zu konfrontieren. Das Ergebnis: Die Mehrheit der Versuchspersonen übernimmt die falsche Meinung der Gruppe!

Die eigene Baumeisterschaft

Wir sind an einem Punkt angekommen an dem wir sehen, dass das Gehirn Realität konstruiert und keine objektive Realität zeigt. Desweiteren können externe Informationen und Personen diese Realität umformen bzw. diese Realität kann bewusst geformt werden.

Das Gehirn zeigt keine objektive Realität, sondern konstruiert eine eigene Realität.

Ich hoffe, dass Sie jetzt den Satz „Unwissenheit ist ein Segen.“ neu einordnen können. Wenn ich nicht weiß, dass es giftige Vogelspinnen gibt, dann sehe ich Spinnen (alleine durch meine Erfahrung) als harmlose insektenfressende Tiere an. Verbinde ich aber mit dem Begriff Spinne auch Tod, Gift und Schmerzen, dann erst kann die vor mir hängende Hausspinne Angst einflößen. An der objektiven Realität hat sich nichts geändert, aber an meiner Einstellung bzw. an meiner konstruierten Realität bzgl. des vor mir hängenden Tieres. Kinder haben die Segnung der Unwissenheit. Dunkelheit, der Weihnachtsmann, Einsamkeit, Schlangen, Spinnen, Regen wegen nicht aufgegessenem Teller, Knecht Ruprecht … das sind alles Konzepte, die dem Kind erst beigebracht werden müssen. Es sind demnach zum Teil Ängste, die dem Kind eingeredet werden. Aber auch Ängste, die manche Kinder nicht akzeptieren, also bewusst nicht in die eigene konstruierte Realität aufnehmen.

Und genau das kann man von Kindern bezüglich der Bewertung von Albträumen lernen. Sind Sie schon bereit zu akzeptieren, dass ein „endloser Fall ins Nichts“ auch als „angenehmes Gefühl der Schwerelosigkeit“ umgedeuted werden kann? Von Ihnen selbst und ganz bewusst! Es ändert an der Realität nichts, aber genau darum kann jeder einfach sagen: „Das war KEIN Albtraum, das war ein schöner Traum.“ Sie hätten demnach grundsätzlich die komplette Deutungsmacht über Ihre konstruierte Realität.

Herrlich, war das ein schöner Albtraum!

Klar ist es nicht leicht nach vielen Jahren der Fremddeutung sich dieser Entscheidungsmacht zu bedienen. Wie lange müssen Kinder laufen, lesen und sprechen lernen? Also ist es logisch, dass Sie an dieser Fähigkeit zuerst noch arbeiten müssen, wenn Sie Ihre Albträume loswerden wollen. Aber danach ist nichts leichter als zu sagen, dass man ein Ereignis anders bewertet. Es kostet Sie nicht mehr als zu sagen „Das war schön.“ Sich diesen Satz zu glauben, das hängt von der Trainingsarbeit im Vorfeld ab. Was diese Technik noch genialer macht, ist die Tatsache, dass Sie dann einen Punkt erreicht haben, der Ihnen auch auf anderen Gebieten wahre Freiheit ermöglicht.

Wollen Sie wirklich frei sein?

Ob Sie etwas können oder nicht, hängt dann ebenfalls nur noch von Ihrer Einstellung und dem Willen etwas zu lernen ab. Der Wille bestimmt dann den „Preis“, den Sie bereit sind zu bezahlen und die Einstellungsänderung „erlaubt“ es Ihnen ein Ziel zu verfolgen oder eben nicht. Sie haben jederzeit die Freiheit zu entscheiden, ob ein Traum ein Albtraum oder ein schöner Traum ist und Sie können ein Ziel als erreichbar oder nicht erreichbar definieren – ändert an der Realität rein garnichts, sondern lediglich Ihre Einstellung zu dieser Sache und diese bestimmt darüber, ob Sie dafür geistig frei sind.

Beispiel Anwendung der Antialbtraumtechnik

Ein Kind hat mir gezeigt, wie mächtig diese Antialbtraumtechnik ist. Es erzählte mir freudestrahlend von einem Traum in dem Gollum aus Herr der Ringe mit dem bösen Blick in einer dunklen Höhle saß und alle anderen mit diesem Blick in böse Wesen verwandelte und parallel gab es in dieser Höhle viele außergewöhnliche Rutschen. Das Kind hat sich bewusst gegen eine negative Albtraumdeutung entschieden und Gollum in diesem tollen Rutschentraum in eine Statistenrolle verbannt.

Könnten Sie das? Gollum war in dem Traum ein düsteres bedrohliches Wesen, hätten Sie den Spaß an den Rutschen in den Vordergrund gerückt? An dem Traum ändert sich nichts, wenn Sie ihn als schlimmen Albtraum mit einer Bedrohung umdeuten. Also geht das Umdeuten von Albtraum hin zu schönem Traum ebenso problemlos.

Einige Tage später konnte ich diese Antialbtraumtechnik selbst einsetzen. In meinem Traum ging es um eine unsichere Passage über eine Wassergrube mit Riesenkrokodilen, die in einem Indiana-Jones-Film einen guten Platz gefunden hätte. Beim Überqueren der Passage sprang ein Krokodil hoch, rieß mir einen meiner Arme ab und verschlang ihn.

Eklige Vorstellung und sehr beängstigend. Könnte man als Albtraum bezeichnen. Beschwingt durch das Wissen um die Antialbtraumtechnik des Kindes, konnte ich erfolgreich „den Traum einige Sekunden nach hinten spulen“ bevor das Riesenkrokodil den Arm erreichte. Von da an hat es mich freudig, wie ein verspielter Hund, in den Arm gezwickt, ich streichle es mit den Worten „Du bist aber ein Feiner“ und spiele mit ihm. Aus dem Albtraum wurde somit ein schöner Traum, denn wer hat schon ein zahmes Riesenkrokodil als Haustier?

Fazit

Ja, mein Beispiel ist ein wenig die Vermischung der Umdeutungstechnik mit der Technik des luziden Träumens, die den aktiven Eingriff in den Traum zum Ziel hat. Glückt es Ihnen nicht die Kontrolle über den Traum zu erlangen, können Sie trotzdem morgens mit einem Lächeln sagen, dass Sie auf den Pfaden von Dr. Jones gewandert sind und die Weisheit stimmt: „besser Arm ab, als ein Leben lang arm dran sein“. Da der Traum nicht real ist, kann man ihn deuten, wie es der eigenen Seele am besten tut. „Yeah, Abenteuertraum!“ fühlt sich doch besser an als „Schon wieder ein Albtraum.“. Oder etwa nicht? Es ist Ihre Entscheidung!

Thorsten von Bettdecke.de

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